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Klimpern, Klingeln, Klappern


Wenn das Sprichwort wahr ist, wonach auch ein blindes Huhn einmal ein Korn findet, dann muss auch umgekehrt gelten, dass auch ein sehendes einmal daneben pickt. So ließe sich dann auch der Fehlgriff eines der ganz Großen der Musikszene entschuldigen: Benjamin Biolay, Frankreichs Superstar des Nouvelle Chanson, auch von dieser Stelle immer wieder hoch gelobt, zuletzt für sein aktuelles Album "Trash yeye".

Vielleicht hätte Biolay sich dem trash doch nicht so ganz verschreiben sollen, zumal dann nicht, wenn das malheur nun von seiner jüngeren Schwester auszubaden ist. Für sie schrieb Biolay nämlich die Musik ihres dritten Albums. Schon ihr hübsches Debüt "Salle des pas perdus" hatte er mit leichten Bossanova-Songs ausgestattet, anschließend probierte Clément es auch einmal - mit durchaus ansprechendem Ergebnis - mit anderen Songwritern, doch nun also wieder Biolay.

"Toystore" heißt das Ergebnis, für das beide dem Vernehmen nach über ein Jahr eine Plattenfirma suchten, und nachdem man sich kurz über die ach so böse Musikwelt echauffierte, ahnt man dann doch, warum.

Für "Toystore", so klingt das Album nämlich, hat Biolay eine alte Truhe aus Kindertagen vom Dachboden geholt. Darin fand er allerlei lustiges Instrumentarium, mit dem er wohl seine ersten musikalischen Gehversuche unternommen hatte: eine Ukulele, Mundharmonika, Melodica, die unvermeidliche Blockflöte, solches Zeugs eben. Und dann muss ihm wohl spontan - tout à coup - die originelle Idee gekommen sein, dass seine Arrangements für "Toystore" auf diesem Spielzeug basieren sollten. Das Konzept hatte zudem den Vorteil, dass man auf weitere Musiker verzichten konnte: Biolay schrieb, spielte und produzierte alles selbst - so wie er es am liebsten mag (und bisher auch am besten konnte).

Das Ergebnis klingt nun über weite Strecken ebenso niedlich wie unerträglich - es klimpert, klingelt und klappert, es schrammelt und scheppert - doch wirklich hören kann und will man das alles nicht. Die Kompositionen gehen in diesem blechernen Sound nahezu komplett unter, jedenfalls hat man anschließend Mühe, sich überhaupt an einen Song besonders zu erinnern. Am ehesten noch bleibt "Je ne sens plus ton amour" im Ohr, aber auch nur deshalb, weil Coralie Clément die Hälfte ihres Textes dem großen Étienne Daho überlässt. Der muss sich das alberne Instrumentarium offenbar verbeten haben - jedenfalls bleibt es bei einer entspannend schlichten Piano-Klavierbegleitung, die auch Coralie Clement wenigstens kurz zum Zuge kommen lässt, bevor sie anschließend wieder im blechernen Geschepper dieses gescheiterten Versuchs musikalischer Früherziehung verschwindet.

Auch bei "Sono io" horcht man auf, weil überraschend auf Italienisch gesungen, doch der Text, den Chiara Mastroanni beigesteuert haben soll, entpuppt sich als ebenso gaga wie der große Rest dieses - pardon - überflüssigen Albums, bei dem man partout nicht weiß, zu welcher Gelegenheit man es hören sollte. Gerauntes Italienisch, das bleibt das métier von Carla Bruni (zu hören auf ihrem aktuellen Album), und für den ungleich charmanteren Einsatz von Kinderspielzeug in der Musik sei auf Filmkomponist Yann Tiersen verwiesen, der in dieser Hinsicht unerreicht bleibt.

Würde man Biolay nicht auch anders, genialer eben, kennen, dann fiele das Urteil über "Toystore" womöglich weniger entsetzt aus - enttäuschen kann nur derjenige, von dem man viel erwartet. Am Ende wird man ihm diesen Fehltritt verzeihen, in der Hoffnung, es möge ein einmaliger bleiben, man wird vielleicht "Toystore" sogar noch einmal hören um nachzuforschen, ob man vielleicht das Geniale einfach nur nicht erkannnte - doch nichts zu machen: Es bleibt einfach nur trash.
Dommage!

 

© Michael Frost, 13.10.2008


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