Sie
ist kein Megastar im typischen Sinne, gleichwohl aber eine Ikone: Anne
Clark, seit den frühen 80er Jahren eine der wichtigsten und innovativsten
Frauen im Rockgeschäft. Sie wurde der New Wave-Szene zugerechnet,
obwohl ihre Musik schon immer durch eine eigene Note auffiel, die abseits
von Wellen und Strömungen zu liegen schien.
Dennoch
ist die Seelenverwandtschaft mit der melancholischen Endzeitstimmung
von The Cure oder Siouxsie and the Banshees unverkennbar, dem Synthesizer-Minimalismus
der frühen Depeche Mode-Alben, doch Anne Clark ist auch eine
Songwriterin, eine Liedermacherin im besten Sinne des Wortes, die
mit Folk und Jazz-Einflüssen arbeitete und versuchte, ihre kreativen
Grenzen auszuloten.
Auch
wenn die New Wave irgendwann abebbte und die große Aufmerksamkeit
nachließ, blieb Anne Clark jedoch weiter präsent, zuletzt
mit einer Neuauflage ihres legendären Hits "Sleeper in Metropolis"
aufgegriffen für die Werbekampagne eines Autoherstellers.
Parallel
überraschte sie, die mit dem Synthiepop eine untrennbare Liaison
eingegangen war, gewissermaßen mit der Quadratur des Kreises,
indem sie die Technologie von der Bühne verbannte und ihre großen
Songs "unplugged", also mit streng akustischer Begleitung,
vortrug. Dafür wählte sie, wiederum ganz in der Tradition
ihres reduzierten, schlichten Stils, keine aufwändigen oder exotischen
Orchestrierungen, sondern ein geradezu klassisches Set aus Piano (Murat
Parlak), Cello (Jann Michael Engel), Percussions (Niko Lai) und Gitarre
(Jeff Aug).
In
dieser Besetzung entstand auch das während eines Auftritts in
der slowakischen Hauptstadt Bratislava mitgeschnittene Live-Album
"From the Heart - Acoustic Tour 2002". In musikalischer
Hinsicht ist es vielleicht das beste Anne Clark-Album überhaupt,
denn ihre gut aufgelegten und experimentierfreudigen Begleitmusiker
entlocken den Songs mit ihrem virtuosen Können neue, unbekannte
Facetten, und auch Anne Clark selbst nutzt die Gelegenheit, ihre Klassiker
in neuem Licht erstrahlen zu lassen. Für jüngere Zuhörer,
denen die "alten" Aufnahmen aus den 80ern bereits seltsam
veraltet und museal vorkommen dürften, ist "Live in Bratislava"
eine echte Chance, die Intensität der Songs nachzuvollziehen,
das Berührende, das Flehende, das Elegische, das die Fans seit
zwanzig Jahren in den Bann zieht.
Der
Zuspruch, den Anne Clark für ihr "Unplugged"-Projekt
erfuhr, war so groß, dass sie neben der Album-Veröffentlichung
eine weitere, noch umfangreichere Tour plante, die sie ab November
in bewährter Begleitung zu fast zwei Dutzend Konzerten nach Deutschland
führen wird.
©
Michael Frost, 01. November 2003