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Festival der Weltmusik

 

"Weltmusik" ist an sich ein Begriff, mit dem musikalische Grenzgänge definiert werden, bzw. "Synthesen aus westlicher Populärmusik und traditionellen Musikformen" (wikipedia). Der Begriff wurde in den 1980er Jahren geprägt, als Peter Gabriel sein Real World Label gründete, auf dem fortan Musiker aus allen Himmelsrichtungen eine internationale Plattform fanden.

Hätte Gabriel diese Vorarbeit nicht geleistet, spätestens jetzt müsste man "Weltmusik" als Wort erfinden, um ein Album zu beschreiben, das an sich nicht beschreibbar ist. Denn Ry Cooder, dem die Welt schon so manche großartige Musik verdankt, hat sich nun an ein Projekt herangewagt, das einerseits völlig fern, andererseits aber durchaus naheliegend erscheint. "San Patricio", spanische Übersetzung des Heiligen Patrick, der wiederum Irlands Nationalheiliger ist, dient ihm dabei als Titelfigur und Schutzpatron gleichermaßen.

Unter seiner Obhut fand zusammen, was bislang absolut nicht zusammen gehörte: Folkrock-Veteranin Linda Ronstadt, Mexikos berühmteste Stimmen Chavela Vargas und Lila Downs, die Irin Moya Brennan, und, last not least, Paddy Moloney und The Chieftains. Die legendäre Irish Folk-Band darf neben St. Patrick getrost als Irlands zweites Nationalheiligtum gelten.

Mit markigen Worten, dröhnenden Bagpipes und donnerndem Schlagzeug erzählen Hollywood-Star Liam Neeson ("Schindlers Liste") und die "Banda de Gaita de Batallón de San Patricio" im Schlüsseltitel "March to battle (Across the Rio Grande)" die Geschichte irischer Auswanderer, die während des amerikanisch-mexikanischen Krieges von 1846-1848 auf Seiten der Mexikaner kämpften. Von den Nordamerikanern hatten sich viele der irischen Einwanderer losgesagt, nachdem sie in der Neuen Welt vielfach die gleichen feudalen Verhältnisse vorgefunden hatten, vor denen sie aus Europa geflohen waren. Gleichzeitig fühlten sie sich den ebenfalls katholischen Mexikanern verbunden - und wurden zusätzlich durch das Angebot der mexikanischen Regierung gelockt, die jedem Deserteur die Übertragung von Landbesitz in Mexiko versprochen hatte.

The Chieftains & Ry Cooder "San Patricio" - Making of / youtube
 

So entstand ein bis heute wenig bekanntes Bündnis, das offenbar auch in der Kultur seinen Widerhall fand. Ry Cooder, Moleney und die multikulturelle Musikerschar interpretieren die traditionellen Vorlagen in grell bunten Farben: Hier Dudelsack und irische Fiddle, dort Mariachi-Gitarren und -Bläser, dazwischen irische Balladen wie Moya Brennans "Lullaby for the dead" oder der melodramatische Klagegesang der Grande Dame des mexikanischen Lieds, Chavela Vargas ("Luz de luna"), die in Europa vor allem durch die Soundtracks von Pedro Almodóvar-Filmen bekannt ist.

Einen der berührendsten Momente schafft jedoch Ry Cooder selbst - mit der charakteristischen Slide-Gitarre, die schon die Hitze und die Verlorenheit der texanisch-mexikanischen Wüstenlandschaft in Wim Wenders' "Paris, Texas" beschrieb. Es ist eine besonderer Ausschnitt der Geschichte, den Cooder mit diesem Projekt beleuchtet. Alte und neue Welt, Norden und Süden, traditionelle Werte und die rühphase der kapitalistischen Moderne trafen damals am Rio Grande aufeinander und zeigen und einmal mehr, dass die Globalisierung bei weitem keine Phänomen des 21. Jahrhunderts ist, sondern spätestens mit der Kolonialisierung begann.

Und wie so häufig in der Geschichte treffen Gewalt und Unterdrückung auf wundersame kulturelle Blüten - leider meist zu Lasten letzterer. Insofern ist "San Patricio" nicht nur Erinnerung, sondern auch Mahnung - vor allem aber ein Fest der Weltmusik.

© Michael Frost, 21.03.2010


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