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Spiegel der
kulturellen Identität


Unter den Vertretern des Raï, des nordafrikanischen Pop, der vor allem von algerischen Einwanderern in Frankreich populär gemacht wurde, ist Cheb Mami vermutlich derjenige, der sich am weitesten von den Ursprüngen dieser Musik entfernte und die Verbindung mit anderen Stilen suchte.

Über die Anhängerschaft des Ethnopop hinaus berühmt wurde er 1999 als Duettpartner von Sting in dem Stück "Desert Rose", und um Duette geht es auch auf "Du Sud au Nord", dem neuen Album von Cheb Mami. Es enthält zwölf zum Teil recht verschiedenartige Kooperationen, mit denen Cheb Mami den globalen Sound seines vorigen Albums "Dellali" nochmals deutlich erweitert. "Desert Rose" allerdings ist nicht darauf.

Statt dessen reicht das Repertoire von Zuccheros epischer Ballade "Così celeste" bis zu Reggae-Klängen mit Ziggy Marley (bereits auf "Dellali" zu hören) - und dazwischen bleibt viel Platz auch für manch sozialkritischen Ton. Rhythmus und Groove des Albums sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Cheb Mamis Themen ihre Wurzeln in der gesellschaftlichen Realität sowohl Frankreichs als auch Algeriens haben.

Bereits im ersten Song, einer Zusammenarbeit mit den Zebda-Mitgliedern Mouss und Hakim Amokrane geht es um das Schicksal der maghrebinischer Exilanten und ihre Zerrissenheit zwischen der verlorenen und der neuen Heimat ("Des 2 côtés"), während in "Parisien du Nord" die harte soziale Realität der Algerier in den Pariser Vororten beschrieben wird. Dort mischen sich Kulturen der Ausgegrenzten, Rap, Reggae und Raï zu einer neuen Ausdrucksform.

Härtere Klänge ertönen in dem Song, den Cheb Mami mit der Band "113" einspielte. In "Clando" geht es um die vielen jungen illegalen Einwanderer, von Cheb Mami als "la generation perdue" (die verlorene Generation) bezeichnet, schutz- und rechtlos gegenüber Ausbeutung und Willkür, ständig in Angst vor der Entdeckung und möglichen Ausweisung - in Frankreich seit Jahren ein Thema scharfer innenpolitischer Auseinandersetzungen.

"Du Sud au Nord" ist eine kulturelle, aber eben immer wieder auch eine politische Reise zwischen den Ufern des westlichen Mittelmeerraumes, in der sich die Suche nach der Identität der Algerier widerspiegelt. Ausgehend von Frankreich und Algerien streift Cheb Mami Italien (Zucchero), Andalusien (Enrico Macias) und Marokko (Samira Saïd) - und überall findet er Anknüpfungspunkte für den eigenen Ausdruck.

Einen musikalischen Höhepunkt bildet dabei sicherlich die Exkursion in den Osten - die ihn bis nach Indien führt. Mit Susheela Raman, mit der er bereits für die Arte-Reihe "Music Planet 2-nite" auf der Bühne stand, nahm er das Duett "Nagumomo" auf, eine traditionelle Ballade in lyrischen Klangfarben, vielleicht der gefühlvollste Moment des Albums, mit dem Cheb Mami seine künstlerischen Ziele nachdrücklich unterstreicht. Gerade weil er sich soweit von seinen Traditionen entfernte und die Verknüpfung suchte, ist er heute der Produktivste und Überzeugendste unter den Vertretern des Raï.

© Michael Frost / 21.03.2004


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