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Im Auftrag des Vaters

 

Rosanne Cash hat es offenbar nie als Bürde empfunden, die Tochter des berühmtesten Country-Sängers der Welt zu sein. Ihr Weg führte sie sogar direkt nach der Schulzeit in die Johnny Cash Road Show - und später zu eigenen Album-Aufnahmen.

Heute gilt sie selbst als eine der profiliertesten Country-Musikerinnen der USA, blickt auf elf Albumveröffentlichungen und diverse Charterfolge zurück. In ihren Songs verarbeitetet sie immer wieder - zuletzt auf "Black Cadillac" - Persönliches, wie den Tod ihres berühmten Vaters, ihrer Stiefmutter June Carter Cash und ihrer leiblichen Mutter Vivian Liberto, die sie alle in kurzem Abstand hintereinander verlor.

Insofern ist es eine Überraschung, dass sie auf ihrem neuen Album gänzlich auf eigene Songs verzichtet. "The list" ist voller Coverversionen anderer Lieder, doch auch hier lässt sich freilich eine persönliche Handschrift nicht verleugnen. Schon die Auswahl der zwölf Lieder geht nämlich zurück auf eine Songliste, die Vater Johnny Cash ihr eines Tages vorgelegt hatte. Darauf fanden sich Songs der unterschiedlichen Strömungen des Country zwischen Folk und Rockabilly. Rosanne, so der Auftrag, sollte diese Lieder kennen lernen, damit ihre Kenntnis der Musik, ihrer Ursprünge und ihrer Bedeutung wachsen konnten.

Sicherlich wird die Auseinandersetzung hiermit Rosanne Cashs eigene Karriere als Texterin und Komponistin beflügelt haben: Die Vorlagen lieferten ihr sozusagen das Handwerkszeug, und auf "The list" kehrt sie nun zu diesen Anfängen zurück, indem sie die alten Songs neu interpretiert. Langsame, einfühlsam gesungene und arrangierte Songs wie "500 miles" und "Girl from the north country" sind darunter, vom Blues inspierierte Lieder wie der Opener "Miss the Mississippi and you", die so sentimental klingen wie die Musik in "Robert Altman's Last Radio Show", dramatische Folkballaden wie "Motherless children", aber auch grauenhaft seichter Schlager-Country ("Heartaches by the number"), bei dem ausgerechnet Elvis Costello als Duettpartner zur Verfügung steht. Da gelingt das Doppel mit Bruce Springsteen deutlich besser, und auch Rufus Wainwright macht als schmachtender Backgroundsänger bei "Silver wings" eine gute Figur.

Es ist, als habe Rosanne Cash den Auftrag ihres Vaters nunmehr erfüllen wollen, und sicherlich wäre er mit seiner Tochter mehr als zufrieden. Schon zu Lebzeiten hatte er angegeben, wenn er auf eine einsame Insel nur eine Platte mitnehmen dürfte, dann sei es ein Rosanne Cash-Album. Gut möglich, dass er sich für "The list" entschieden hätte.

 

© Michael Frost, 23.01.2010


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