War
sie eine "lonely woman"? Sie singt den Song des
Free-Jazz-Apostels Ornette Coleman mit einer derartigen Intensität,
dass die Frage nahe liegt, was und wie viel sie hier von sich
selber erzählt.
Die
Sängerin heißt Carola. Ihre Stimme ist dunkel eingefärbt,
ihr Ton elegant und locker, sie kann kraftvoll metallisch
klingen und im nächsten Moment eine Intimität ausstrahlen,
die sofort unter die Haut geht.
Warum
kennt sie niemand? Ganz einfach: Carola Standertskjöld,
die Jazz-Sängerin aus Finnland, gab es in diesem Fach
nur einige Jahre lang, das ist mehr als 40 Jahre her, dann
wurde sie von der Plattenindustrie entdeckt. Und die talentierte,
attraktive junge Frau aus Helsinki verwandelte sich in einen
Star, der bekannte englischsprachige Pop-Songs fürs heimische
Publikum in der Landessprache coverte.
Sie
hatte anders angefangen, aber "die finnischen Record
Companies glaubten nicht an das kommerzielle Potenzial des
Jazz". So stehts im informativen Booklet zu der CD "Carola
& Heikki Sarmanto Trio", die eine wahre Entdeckung
ist.
Carola
ist zur Zeit der - im Archiv des finnischen Rundfunks ausgegrabenen
- Aufnahmen 25 Jahre alt. Als der Rundfunk sie einlud, einige
Nummern ihres Jazz-Repertoires aufzunehmen, hatte sie ihre
erste Karriere schon beendet. Dass es dabei um vielmehr ging
als um einen kurzen und harmlosen Flirt, zeigen die 10 Titel
der Studioproduktion, die die Gruppe an einem einzigen Tag
(im Juni 1966) und innerhalb weniger Stunden auf Band haben
musste.
Die
damalige Technik erlaubte ihnen kein kompliziertes Abmischen.
"Wir stellten ein Mikrophon auf und legten alles mit
einem einzigen Take hin", erzählt der Pianist Heikki
Sarmanto, der mit seinem Trio (Tapani Tamminen, Bass, Reiska
Laine, drums) Carolas Stimme dezent begleitet.
Sarmanto
gehörte zum Esa Pethman Quartett, mit dem Carola 1961
aufgetreten war. Sie waren Schlüsselfiguren der damaligen
finnischen Jazz-Szene. Mit Esa Pethman, der hier nicht nur
als vorzüglicher Flötist und Saxophonist, sondern
auch als Komponist neu entdeckt werden kann, zog Carola durch
die Nachtclubs des ganzen Landes, 1962 waren sie als eine
der ersten westlichen Jazz-Formationen hinter dem Eisernen
Vorhang unterwegs, auf einer drei-monatigen Tournee durch
die Tschecheslowakei, im Jahr darauf tourten sie durch Polen.
In
diesen harten Jahren bildet Carola ihre Stimme aus, nuancenreich,
mit vielen Farben, expressiv-dramatisch und mit tiefer Wärme,
eine Charakter-Stimme, kein dünnes Fräulein-Wunder,
mit einer Aura, die den gefährlichen Vergleich mit Billie
Holiday nicht fürchten muß. Carola singt aus ihrem
Repertoire das traditional "Black is the colour",
und sie singt es so verhangen-melancholisch, dass man ihr
jedes Wort abnimmt. Darüber hinaus leichte und schmerzhaft
schöne Jazz-Balladen.
Warum
hat Carola sich Mitte der 60-er Jahre umformen lassen? Es
ist nicht mehr möglich, es wäre auch ungerecht,
so zu fragen. Gitte
hat es damals - fürs deutsche Publikum - ebenfalls mit
sich machen lassen, sie musste plötzlich unbedingt "einen
Cowboy als Mann" haben, heute kann sie darüber lachen,
und die Jazz-Schiene hatte sie nie ganz verlassen.
Carola
ist 1997 gestorben. Sie erlebt die Renaissance ihrer Stimme
nicht mehr. Die 14 Titel dieser CD weisen sie als eine der
Großen unter den Jazz-Sängerinnen aus. Die Texte
zu den zwei Kompositionen ihres finnischen Kollegen Esa Pethman
hatte sie selber geschrieben. "The Flame" heißt
das Eingangslied, das die CD - mit einem zweiten Take - beendet
und rahmt: The Flame, das spürt man beim Hören,
das ist diese Sängerin selber, die in ihren Liedern brennt,
die von der dangerous emotion spricht, denn: "love is
a risky game".
Die
Jazz-Sängerin Carola passte nicht in die 60-er Jahre,
sie klingt wie eine der besten von heute und sie ist eine
aufregende Entdeckung.
(Carola
& Heikki Sarmanto Trio: Carola
Jazzpuu,Sähkö/Groove Attack, JAZZPUU-8CD)
©
Hans Happel, 30. Januar 2005