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Viel, viel schöner


Es gibt diese Stimmen, denen man einfach verfallen ist, und würden sie bloß das Telefonbuch rezitieren. Vollends geschehen ist es um einen aber, wenn diese Stimmen beginnen, Lyrik zu vertonen. Und wenn zu dieser Stimme auch noch ein umwerfend gut aussehender Mensch gehört - dann ist das des Guten schon fast zu viel.

Die Musik von Carla Bruni sollte man deshalb auf weicher Unterlage, also Sessel, Couch oder Bett, genießen. Solange man noch bei klarem Verstand ist, kann man sich im wunderschön gestalteten Beiheft ihrer CD "No Promise" blättern und sich dabei in den Versen von Emily Dickinson, Dorothy Parker oder William Butler Yeats verlieren.

Dann geht es einem so wie Carla Bruni selbst. Die Songwriterin mit der Model-Vergangenheit hat sich in englischsprachige Gedichte des 19. und 20. Jahrhunderts verliebt. "Ich spielte mit ihnen, machte Lieder aus ihnen", sagt sie. Die Idee ist so neu freilich nicht. Die lautmalerische Lyrik Yeats' etwa beflügelt schon länger die Kreativität der Musik. Angelo Branduardi etwa, Landsmann der gebürtigen Italienerin, vertonte bereits ein komplettes Album mit Yeats-Lyrik.

Doch anders als bei Branduardi sind es sind weniger die Sagen, Legenden und märchenhaften Dichtungen des Iren, die Carla Bruni faszinierten. So interpretiert sie die Texte im Sound der Gegenwart, mit akustischer Gitarre und Bluesrockelementen, im Stil von Neofolk und Nouvelle Chanson, und natürlich mit dem so unvergleichlichem Timbre ihrer rauchigen Stimme, die mehr raunt als singt, aber das so sinnlich und melancholisch schön, dass man beim Zuhören das Atmen vergisst.

Wie schon bei ihrem äußerst erfolgreichen Debüt "Quelqu'un m'a dit" (2003 sang sie noch überwiegend in Französisch, der Sprache ihrer langjährigen Wahlheimat) ist auch "No promise" ein leises Album, das auch in den schnellen Passagen niemals wirklich laut wird. Zurückhaltende Arrangements verstärken den privaten Charakter. Wie die Fotos im Booklet suggerieren, scheint die CD im heimischen Wohnzimmer von Carla Bruni entstanden zu sein, wo sie, umgeben von ihren Lieblingsbüchern, -möbeln und -CDs, im Beisein befreundeter Musiker ihre Lieblingsgedichte zum Klingen bringt.

Die spürbare Authentizität der Atmosphäre macht "No promises" zu einem wohligen Vergnügen der besonderen Art. Man legt sich zurück, schließt die Augen - und genießt. Wie gesagt, man wäre auch mit einem Vortrag des Telefonbuchs zufrieden gewesen. Aber so ist es natürlich viel, viel schöner.

© Michael Frost, 13. Januar 2007


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