Von
"Bruelmania" sprechen französische Musikjournalisten,
um den Status von Patrick Bruel in seiner Heimat zu beschreiben. Er
sei heute "eins der Schwergewichte des französischen Chansons"
- so bescheinigt es ihm etwa Radio France Internationale. Und tatsächlich
gibt es vieles, was ihn zu einem Paradebeispiel und Aushängeschild
des frankophonen Pop werden ließ.
Patrick
Bruel, der 1959 in der ehemaligen Kolonie Algerien geboren wurde,
verkörpert eine bei deutschen Musikern unbekannte Mischung aus
romantischen Chansons, pathetischer Geste, eingängigem Pop, vorsichtigen
Weltmusikeinflüssen und Rockballaden. In der Zusammenführung
dieser losen Enden der französischen Popkultur der Gegenwart
dürfte er der unbestrittene Meister sein, und sein Erfolg erklärt
sich vermutlich auch dadurch, dass er sich durch die stets glaubwürdige
Verknüpfung den Respekt von Liebhabern ganz unterschiedlicher
Genres erspielte.
Zwanzig
Jahre währt seine außergewöhnliche Karriere inzwischen,
seit er 1983 bereits mit seiner zweiten Single "Marre de cette
nana-là" den Durchbruch schaffte. Seither reißen
die Erfolge nicht mehr ab. Dabei machte sich Bruel nicht nur als Musiker,
sondern auch als Schauspieler einen Namen. Unter anderem spielte er
an der Seite von Miou Miou und Jean Reno unter so namhaften Regisseuren
wie Claude Zidi und Sydney Pollack.
Seine
multi-mediale Präsenz dürfte seinen Publikumserfolg als
Musiker nochmals enorm befördert haben. Absatzzahlen jenseits
der Million erreicht er - trotz der Strukturkrise der Musikindustrie
- weiterhin spielend, zuletzt mit seinem nostalgischen Album "Entre-deux"
von 2002, einem Doppelalbum, auf dem er gemeinsam mit illustren Duettpartnern
französische Chansons der 20er und 30er Jahre neu interpretierte.
Bruel
hat es über die Jahre immer wieder verstanden, seine Chansons
zu variieren und ihnen dadurch neue Seiten abzugewinnen. Einige seiner
Lieder mögen für deutsche Ohren altbacken oder gar kitschig
klingen, doch in Wirklichkeit hat Patrick Bruel immer wieder zeitgenössische
Sounds und Trends behutsam integriert, ohne sein Publikum damit zu
verprellen. Ein "Schwergewicht" ist er deshalb nicht nur
in kommerzieller, sondern auch in künstlerischer Hinsicht.
Beispielhaft für seine Fähigkeit, sich und seinen Sound
für andere Einflüsse zu öffnen, steht sein Interesse
an afrikanischer und arabischer Musik. So nahm er 1992 Lokua Kanza
mit auf Tour und verschaffte dem aus dem Kongo stammenden Sänger,
er sang im Trio mit Khaled und Youssou N'Dour und experimentierte
mit arabischen Pop-Rhythmen.
Seine
jetzt erschienene Retrospektive "Puzzle", eine Best-of-Compilation
mit 25 Titeln aus 20 Jahren, unternimmt den ambitionierten Versuch,
die Vielschichtigkeit Bruels einzigartiger Karriere auf einer Doppel-CD
festzuhalten. Tatsächlich eröffnet die Auswahl der Titel
mehr als nur einen oberflächlichen Eindruck seines Gesamtwerks.
Den Facettenreichtum Bruels verdeutlichen vor allem seine Kooperationen:
mal mit Joe Cocker ("Sorry seems to be the hardest word"),
mal mit Serge Reggiani ("L'Italien") oder der Spanierin
Ana Torroja ("Qui a le droit"). Neben einer Auswahl seiner
eigenen Kompositionen enthält "Puzzle" auch einige
seiner erfolgreichsten Adaptionen: "Jef" (Jacques Brel)
und "Les rues de Philadelphie" (Bruce Springsteen), die
zugleich die Spannbreite seines musikalischen Horizonts beschreiben.
Das
Cover von "Puzzle" ziert eine New Yorker Straßenszene.
Man sieht den Sänger an einer Häuserzeile vorbeiflanieren,
die mit Plakaten seiner zahllosen Tourneen beklebt wurde. "Melting-Pot"
heißt eines der Geschäfte dieser Straßenszene. Es
ist zugleich der treffende Untertitel für dieses "Best-of"-Album
und darüber hinaus für das "Prinzip Bruel".
Patrick
Bruel: Puzzle
BMG 82876658032
©
Michael Frost, 28. November 2004