Melancholisch,
bedächtig, hintergründig, leidenschaftlich - so präsentiert
sich Françoiz Breut auf "Vingt à trente mille jours",
ihrem zweiten Album, und, soviel vorweg, ihr ist ein großer
Wurf gelungen. Von der kleinen Ballade bis zur großen Bühne
beherrscht sie alle Stimmungen perfekt. Mit dem hintergründigen
Timbre ihrer Stimme produziert sie unablässig Gänsehaut
und drückt den in Musik umgesetzten Empfindungen ihren Stempel
auf.
Tiefgründig
und spannungsgeladen sind auch die teils persönlichen, teils
fast philosophischen Texte, voller Metaphern und atmosphärischer
Dichte: innere Monologe über Verlassenheit, Sprachlosigkeit und
erloschene Liebe.
In
jedem Moment beherrscht Françoiz Breut die Szenerie, und das
völlig unexaltiert, ganz gleich, ob inmitten der existenzialistischen
Atmosphärer der Keller-Clubs von Saint Germain, oder vor der
orchestralen Leinwand des Budapest Symphony Orchestra, das die ausladenden
Streichersounds beiträgt und Françoiz Breut wie auf einer
wogenden Welle durch ihre Lieder trägt.
Einen
großen Raum nehmen Titel ein, die den psychedelischen Sound
der 60er Jahre aufgreifen und in bestechender Weise variieren ("L'origine
du monde" nach dem Gemälde von Courbet, "Vingt à
trente mille jours"). Deshalb kann das Attribut "Chanson"
für Françoiz Breut nur sehr bedingt gelten, vielmehr ist
sie eine Sängerin mit einer sehr eigenen, modernen Vision vom
Zusammenwirken unterschiedlicher Genres, die aus französischen
Traditionen ebenso schöpft wie aus dem Repertoire der internationalen
Rockszene.
Doch
auch umgekehrt lassen sich längst andere von ihr inspirieren:
Cover-Versionen von Titeln ihres Album-Debüts existieren sowohl
von den Walkabouts ("Everyone kisses a stranger") als auch
von den Wüstenrockern Calexico ("Ma colère").
Sie selbst hat aber auch eine Adaptation im Programm: Peggy Lees Klassiker
"Sans souci".
In
Frankreich arbeitet Françoiz Breut seit Jahren mit den kreativsten
Köpfen der Szene zusammen. Mit Dominique A. verbindet sie auch
eine private Liaison, sie haben auch bereits ein gemeinsames Kind.
Dominique A., der bereits die meisten Titel ihres ersten Albums geschrieben
hatte, ist auch für viele Stücke auf "Vingt à
trente mille jours" verantwortlich, doch außerdem trifft
man noch auf so illustre Namen wie Philippe Katerine (Autor und Duettpartner,
u.a. in "L'originge du monde") oder Yann Tiersen, der nicht
nur als Co-Autor einiger Songs aufgeführt ist, sondern auch als
Instrumentalist (Vibraphon, Geige) sowie für einige Titel die
Orchesterarrangements schrieb.
Gemeinsam
machen sie "Vingt à trente mille jours" zu einem
großen, mitreißenden Ereignis. Doch im Mittelpunkt steht
ausnahmslos Françoiz Breut mit ihrer stimmlichen Präsenz:
Melancholisch, bedächtig, hintergründig, leidenschaftlich
...
©
Michael Frost, 09.11.2002