Französische
Sängerinnen umweht immer ein ganz besonderes Flair. Einige, wie
Héléna oder Coralie Clément, bedienen zunächst
das Lolita-Image, um sich später davon zu emanzipieren. Andere,
wie Keren Ann, postulieren "Nolita" (Albumtitel),
was nach Protest klingt, und dann gibt es noch eine dritte Gruppe,
und die besteht vor allem aus einer Stimme: Françoiz Breut.
Sie
gehört zu den herausragenden Entdeckungen des ersten "Le
Pop"-Samplers von 2002, so herausragend, dass sich ihre Plattenfirma
entschloss, ihr damals gerade veröffentlichtes Album "Vingt
à trois mille jours" auch in Deutschland zu vermarkten.
Wie Françoise Hardy in den 60ern, so ist auch Françoiz
Breut heute nicht bereit, sich allein auf das Chanson reduzieren zu
lassen.
Ihre
Musik atmet den Duft ganz unterschiedlicher Einflüsse zwischen
Folk, Rock, Triphop und Retro-Sound. Dabei bedient sie auf ihrem neuen
Album nicht mehr allein der französischen Sprache, sondern auch
Englisch, Italienisch und Spanisch, und immer wieder sucht sie die
Kooperation mit anderen Autoren, die für "Une saison volée"
fünfzehn Songs passgenau auf ihren unverwechselbaren Gesang zuschnitten:
dunkel, melancholisch und hintergründig, mit existenzialistischem
Unterton und immer ein bisschen geheimnisvoll und unnahbar, und auch
geografisch kaum einzuordnen.
Zum
Beispiel Calexico. Zu den Protagonisten des US-"Wüsten-Rock"
entwickelte Françoiz Breut eine langjährige Beziehung:
Mehrfach begleitete sie die Band auf ihren Tourneen begleitet und
nahm auch gemeinsame Titel. Calexico-Bassist Joey Burns seinerseits
ist, wie schon am vorigen Album, auch an den Aufnahmen von "Une
saison volée" beteiligt. Insgesamt jedoch reduzierte Françoiz
Breut die Zahl ihrer Musiker gegenüber den Aufnahmen zu "Vingt
à trente mille jours" deutlich. Hatte sie damals noch
ein ganzes Orchester eingebaut (arrangiert von Yann Tiersen), reicht
ihr heute ein exquisites Trio aus Gitarren (Boris Gronemberger), Keyboards
(Luc Rambo) und Drums (Sacha Toorop) als Stammbegleitung.
Von
Album zu Album fächert Françoiz Breut neue Seiten ihres
Könnens auf. Dadurch werden gelegentlich einige ihrer kleinen
Geheimnisse gelüftet, doch parallel entstehen neue Rätsel
und Überraschungen. Alle ihre bisherigen Alben werden so von
einer gespannten Atmosphäre getragen, in der man nie weiß,
welche Richtung sich der Sound im nächsten Moment entwickeln
wird. Diese Form der Unberechenbarkeit wirkt elektrisierend.
Schon
die Herkunft der Komponisten macht die unterschiedlichen Einflüsse
deutlich, die Françoiz Breut zur wohl vielseitigsten Vertreterin
des Nouvelle Chanson werden ließen. Ihre Songs stammen unter
anderem aus der Feder von Jérôme Minière und ihrem
ehemaligen Partner Dominique A., aber auch von der schwedischen Band
Herman Düne, dem Spanier Jaime Cristobal ("La ciudad del
mar") und dem Italiener Fabio Viscogliosi ("Ultimo").
Ihrem unerklärten Idol Françoise Hardy, als deren Nachfolgerin
sie immer häufiger bezeichnet wird, hat Françoiz Breut
die Coverversion von "Le premier bonheur du jour" gewidmet.
Ihre Interpretation bestätigt die eingangs versuchte Kategorisierung:
Françoiz Breut ist eine Klasse für sich.
©
Michael Frost, 14.10.2005