Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Leise Glücksgefühle


Was für ein Duo. Klangvollere Namen hat die französische Szene momentan kaum zu bieten. Benjamin Biolay, Tausendsassa der Nouvelle Scène, gemeinsam im Studio mit seiner Frau Chiara, geborene Mastroianni, Tochter zweier Berühmtheiten des europäischen Kinos: Marcello Mastroianni und Catherine Deneuve. Die Deneuve hatte man jüngst als eine der "8 Frauen" selbst singend erleben können, und Tochter Chiara hatte bereits auf Biolays vorigem Album "Negatif" einige Backgroundparts übernommen.

Auf "Home" jedoch hält die Gleichberechtigung Einzug im Leben dieses illustren Doppels, und für Biolay selbst markiert diese Arbeit eine Art Rückbesinnung auf das Private. Dirigierte er auf "Negatif" und erst recht auf "Rose Kennedy", seinem glanzvollen Debüt, ganze Streichorchester, so ist "Home" ein Bekenntnis zur Reduktion. Sanftes Stimmengeflüster des Paares vor leise gezupften Gitarren schafft intime Momente und leise Glücksgefühle.

Inspirieren ließen sich die beiden dem Vernehmen nach während einer Autofahrt nach Holland. Unter anderem goutierten sie den akustischen Minimalismus der Kings of Convenience, doch Benjamin Biolay wäre nicht der, der er ist, wenn er nicht sofort einen eigenen Soundtrack für jede Gelegenheit im Kopf hätte: Warum die Musik anderer hören, wenn man sie auch selbst produzieren kann? Also machte er sich an die Arbeit und schrieb gemeinsam mit seiner Frau einen Reigen von Songs für lange Autofahrten, nahm einige wenige handverlesene Musiker als Begleiter an Bord und machte sich an die (Aufnahme)Arbeit.

Man muss nicht zwangsläufig von Frankreich Richtung Niederlande reisen, um "Home" zu verstehen. Vielmehr atmet das Album die Weite Nordamerikas, auch wenn Chiara Mastroiannis sehr französisches Timbre dem von Kolleginnen wie Carla Bruni, Helena und Keren Ann in nichts nachsteht. Biolay, der nach eigenem Bekunden überhaupt keine französische Musik hört, orientierte sich erkennbar an der amerikanischen Folk- und Bluestradition. Slide-Gitarre und Dobro stehen zumeist im Vordergrund und wecken leise Erinnerungen an Ry Cooders genialen Soundtrack zu Wim Wenders' Film "Paris Texas".

Der beruhigend dahin fließende Rhythmus der Songs schafft dabei eine entspannende Atmosphäre, die zuhause und unterwegs gleichermaßen wirkt. Die Spannung bezieht das Album durch gelegentliche Brüche, wenn durch Songs wie "A house is not a home" oder "Dance Rock'n'Roll" das Tempo angezogen wird, Drums und Bass einen Schritt nach vorn kommen, die Gitarren an Lautstärke gewinnen und sich gemeinsam an den Folkrock der 70er anzulehnen scheinen. Biolay ist niemand, der die Musik neu erfinden will, aber unvergleichlich in seiner Fähigkeit der zeitgemäßen Übertragung - auf "Home" stellt er diese Qualitäten erneut unter Beweis.

 

© Michael Frost, 01. Juli 2004




[Archiv] [Up]