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Melting pot

 

"e.s.t. ist Teil meiner Geschichte und beeinflusst mein Spiel noch heute", sagt Dan Berglund - und alles andere wäre wohl auch höchst unglaubwürdig. Denn hinter den drei Buchstaben verbirgt sich das Esbjörn Svensson Trio, dessen Bassist Dan Berglund war - bis zu dem tragischen Unfalltod des Bandleaders im Frühsommer 2008. Zu diesem Zeitpunkt war e.s.t. eines der, wenn nicht das führende Jazztrio weltweit, hoch gelobt vor allem wegen seiner Öffnung des Jazz hin zu Elementen aus Postrock und Electronica.

Hierfür steht Dan Berglund auch weiterhin, hierfür, um das Coverbild seines Albums aufzugreifen, schlägt sein Herz. Als Bassist steht er dabei vor der Schwierigkeit, derjenige zu sein, dessen Instrument in aller Regel am wenigsten hörbar ist. Sting löste das Problem bei The Police, indem er zusätzlich den Leadgesang übernahm, doch Berglund gefällt sich ganz gut im Hintergrund, er drängt sich nicht auf und ist doch allgegenwärtig.

Weder Johan Lindström (Gitarren, Piano), Martin Hederos (Piano, Akkordeon, Geige, Keyboard) noch Andreas Werliin (Schlagzeug, Percussion) haben eine Vergangenheit als Jazzmusiker. Lindström arbeitete mit den Songwritern Kristofer Åström und Sophie Zelmani, Hederos spielt bei "The Soundtrack of our Life".

"Tonbruket nennt man in Schweden große Workshops oder Studiobetriebe" (Pressetext), man stellt sich also die Situation derart vor, dass alle Beteiligten ihre Ideen in einen gemeinsamen Prozess einbringen und weiter entwickeln: ein "Melting pot" für Sounds. So enstehen schließlich ganz unterschiedliche Klangmuster: heitere Mitsommertänze wie "Gi Hop", melancholische, lautmalerische Folksongs wie "The wind and the leaves", bei denen jeweils auch die Nähe zur schwedischen Folklore durchschimmert, andererseits aber auch druckvolle Rocktitel wie "Monstrous Colossus", wo Berglunds "Tonbruket" lustvoll den Glamrock der 70er zitiert, um den Titel schließlich in eine experimentelle Soundlandschaft zu überführen, die, wie auch "Cold blooded music" an Radioheads "Kid A" erinnert.

So mündet das Album in der letzten Hälfte schließlich in den "Song for E", wobei unschwer auszumachen ist, dass hier Esbjörn Svensson gemeint ist. Schon die gedrückte Schwere der Orgel, die das Stück während der ganzen Zeit im Hintergrund begleitet, gibt dem Stück seine trauernde Atmosphäre. Zeitweise ergänzt nur ein Drumloop die Orgel: Das ist der Moment, in dem Berglunds Bass den Hauptpart übernimmt und in einen Dialog eintritt, der schließlich vom Piano übernommen wird, vielleicht in der Art, wie es Esbjörn Svensson selbst gespielt hätte, wäre er noch am Leben.

Berglund vermischt Trauer und Hommage zu einer berührenden Einheit und beweist damit, dass er tatsächlich weiter von den Grundprinzipien von e.s.t. beeinflusst wird: In tonbruket verschmelzen viele Ideen zu einer neuen Vision des Jazz.

© Michael Frost, 16.01.2010


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