Es gibt Stücke, die betören von den ersten Sekunden an, deren Töne setzen sich in den Ohren fest, kriechen unter die Haut und lassen einen erzittern. Das geht mir so bei „Music for Fish“, dem herzzerreißend schönen Eingangstitel des Albums „Triophilia“, mit dem die drei Wahlberliner Alan Bern, Paul Brody und Michael Rodach eine erfrischend lebendige, würzige Mixtur aus Tradition und Moderne, streng durchkomponierter Musik und Improvisation, komischen und hymnischen Elementen, Heiterkeit und Melancholie zelebrieren.
Sie spielen in ungewöhnlicher Besetzung: Klavier, Melodica, Akkordeon (Bern), Trompete, Flügelhorn (Brody), Gitarre (Michael Rodach). Alle drei haben als klassische Instrumentalisten begonnen, bevor sie sich anderen Ausdrucksformen öffneten. Alan Bern aus Bloomington (Indiana) hat nach einem klassischen Klavierstudium die musikalische Revolte der 60-er Jahre entdeckt und ist für zwei Jahre ans Creative Music Studio in Woodstock (New York) gegangen, wo er unter anderem mit John Cage und Carla Bley gearbeitet hat. Auf diesem Weg entdeckte er für sich die jüdische Musik. Paul Brody kam vor 15 Jahren auf der Suche nach Spuren seiner Familiengeschichte in Berlin an, wo er sich ebenso niederließ wie Jahre zuvor Alan Bern. Michael Rodach hat in Boston studiert, erst Klassik, dann Jazz. Das Spiel mit vielfältigsten Traditionen ist seinen Kompositionen – 6 der 11 Stücke sind von ihm – deutlich eingeschrieben.
Die Vielfalt, die ebenso unbefangene wie raffinierte Mischung aus Folk, Rock, Blues, Tanzmusikweisen, klassischer Moderne und Jazz gilt für alle drei Musiker. Ihre Stücke sind gewürzt mit Komik, sie wechseln schlagartig den Charakter. Ein Titel wie „Secret Cinema“ (Brody) verrät geradezu programmatisch das Verfahren: Ihre Musik erzählt Geschichten. Es sind lauter kleine, kurze Filme, heitere und melancholische, ernste und witzige, und dem ersten Ohrwurm folgen weitere. In „Track 15“ gelingt es Rodach erneut, mit kammermusikalischen Ostinato-Klängen, die sich zunehmend steigern, eine Gänsehaut zu erzeugen. Das helle, orgelartige Klangbild hat streng hymnischen Charakter.
Den brechen die drei Triophilialisten allerdings sofort wieder auf, indem sie mit „Der elegante Esel“ (Rodach) und „Bartoki“ ihre ganz andere Seiten zeigen: Da entwickeln sie den transparenten Zauber sentimentaler italienischer Filmmusik oder lassen sich von Bela Bartok inspirieren, Tradition und Experiment zu verschmelzen, nicht ohne gelegentlich groovende Bebop-Rhythmen zu unterlegen.
Alan Bern, Paul Brody und Michael Rodach präsentieren mit „Triophilia“ eine erfrischend würzige Musik aus leisen und lauten Tönen, die unterhält und unter die Haut geht, so nah liegen feierliches Pathos und schräge Töne wohl selten.
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Hans Happel, 11.04.2010