.

 

 

 

 

Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Lust am Lärm
von Hans Happel


Sie sind Bastarde, irgendwo zwischen Pop, Jazz und Blues angesiedelt. Wenn sie sich auf ihrem neuen Album BLUNT OBJECT - Live in Tokyo - zum Auftakt mit Lust und Wonne der Schlachthymne "We are the Champions" hingeben, dann lassen die drei Jungs von THE BAD PLUS spüren, dass sie sich als Champions verstehen, so selbstbewusst und krachend schlagen sie diesen Glamour-Hit von "The Queen" an.

Der Anschlag des Pianisten Ethan Iversen ist hart und direkt, er liebt das Theatralisch-Pompöse, die ornamentalen Läufe, die lang anhaltenden Crescendi, er liebt die gleißenden Oberflächen und kann ganz plötzlich in intime Momente zurückkehren. Sein Spiel ist weit entfernt von dem federnd-subtilen Pianospiel eines Keith Jarrett oder von dem klassisch-romantischen Ansatz Brad Mehldaus.

Die bösen Jungs aus Wisconson, die mit "These are the Vistas" vor 2 Jahren (vgl. cd-Kritik) auf sich aufmerksam gemacht hatten, erweisen sich als wilde Bengel, die weniger dem Jazz verpflichtet sind als dem traditionellen Glamour-Rock. Ihre Melodien können ähnlich zerlaufen wie endlose Gitarren-Soli, ihre rhythmische Heimat ist dank des wild-wuchernden und meist harten Schlagzeugspiels von David King die Rockmusik mit ihren glänzend lauten und sich zum Tosen steigernden Höhepunkten.

Der 13-Minuten-Titel "Silence is the question" macht Grenzen und Chancen dieser Musik deutlich. Die Komposition des Bassmanns Reid Anderson beginnt mit einem intensiven langsamen Bass-Solo, in das sich der Pianist einfädelt, aus dem intimen und lyrischen Duo wird schließlich in unendlicher Steigerung ein geradezu krachig lautes Triospiel, in dem das Piano wie weiland im 19. Jahrhundert zum Glamour-Instrument gerät.

Diese Lust am Lärm hat auch etwas angestrengt Vordergründiges, sie klingt nach verspielter Effekthascherei. "Naschwerk ist auch Blendwerk" hatte ich zu "These are the vistas" geschrieben, und davon sind die bösen Plus noch nicht recht losgekommen.

Was sie können, zeigen sie in dem 10-Minuten-Titel "Guilty", in dem sie der musikalischen Durchführung ein strenges Blues-Schema unterlegen. Dass sie einfache Melodien lieben, zeigt ihre Version der Aphex Twin´s Nummer "Flim", und wie sehr sie den Schmuse-Jazz hassen und einen seiner populärsten Love-Songs zerlegen und verfremden können, beweisen sie mit ihrer befremdend aufregenden Version von "My Funny Valentine".

Da klingen die Drums nach afrikanischen Buschtrommeln, und die zarte Melodie verwandelt sich in - von Ethan Iversen gesungene - Ausrufe, die so eigenartig klingen, als hätte der Song einen Sprung, als seien von ihm gerade mal ein paar schwierige Tonsprünge übrig geblieben.

Hier wirken die Jungs ungewöhnlich neu und frisch, während sie als Champions zwar sehr flott auftreten, aber auch großzügig mit ihrem Image kokettieren.

The Bad Plus treten auf:

am 19.07. Jena, Kulturarena
am 20.07. Kassel, Kulturzeit


© Hans Happel, 22. April 2006

 

[Archiv] [Up]