Mariana Aydar, weiß das Onlineportal "All about Jazz" sei einfach zu finden - überall dort nämlich, wo es gute Musik gebe: "bei einer Samba-Jamsession, außerhalb der Stadt, in Studios, während des Karnevals, in Sao Paulo, Rio de Janeiro oder Bahia". Die Epizentren der brasilianischen Musikszene wären damit hinreichend eingegrenzt. Mariana Aydar selbst verweist auf familiäre Einflüsse: Beide Eltern arbeiteten in der Musikbranche.
In Paris, wo sie nach dem Studium lebte, traf Mariana Aydar auf Seu Jorge, einen der wichtigsten Protagonisten der neuen brasilianischen Musik. Auf "Peixes Passaros Pessoas" ("Fische, Vögel, Menschen") tut sie es ihm gleich: In einer ebenso coolen wie temperamentvollen Mixtur vereint Mariana Aydar Samba, Bossa und Electronica.
Dass sie, wie eingangs zititert, auch auf einer Jazz-Site Erwähnung findet, hat darüber hinaus einen Grund: Bei ihr fließen die Grenzen zwischen Latinpop und Latinjazz (meist erfreulicherweise zugunsten der Jazz-Seite), was ihr so großartig arrangierte Songs wie "Aqui em casa" ermöglicht.
Andererseits betont sie ebenso gern, etwa in "Tá?", ihre experimentelle, elektronische Seite, die sie hier auf dem Sound traditioneller brasilianischer Percussions (Zabumba, Reco-Reco und Ganzá) aufbaut.
Den stärksten, weil besonders ungewöhnlichen, Eindruck hinterlässt dann überraschend der Titelsong "Peixes". Hier scheint es, als verlasse Mariana Aydar ihren brasilianischen Hintergrund vollständig, nurmehr der Rhythmus hinterlässt eine Ahnung von seiner Herkunft, die Sprache natürlich. Doch der Rest ist druckvoller Pop mit dramaturgisch perfektem Aufbau - inklusive lärmender E-Gitarre.
Wie so oft ist es eben das Abweichen vom Gewohnten, das aufmerken - und die besondere Qualität eines Künstlers erkenn lässt. Interessanterweise lässt "Peixes" auch die Stimme Mariana Aydars in völlig neuem Licht erscheinen: Wo sie eben noch in bewährtem Bossanova-Timbre leise hauchte, wird sie hier zur Röhre; wo sie eben einen Habitus bediente, der längst auch Klischee ist, wächst sie immer weiter über das Bewährt-Bekannte und letztlich über sich selbst hinaus ("Poderoso rei") - selbst in traditionellem Tropicalia-Umfeld (etwa im Duett mit Zeca Pagodinho) in dem Stück mit dem fast ironischen Titel ("O samba me persegue" / Die Samba verfolgt mich) verliert sie den individuellen Ausdruck nicht mehr.
"Peixes Passaros Pessoas" fasziniert längst auch die Granden der Szene: Den Pressetext zur Albumveröffentlichung in Brasilien schrieb kein Geringerer als Caetano Veloso. Angesichts dieser Vorschusslorbeeren für ein außergewöhnliches Album etabliert sich 29jährige Künstlerin mit "Peixes Passaros Pessoas" wohl über Brasilien hinaus als eines der hoffnungsvollsten Talente ihrer Generation - in einer Linie mit Bebel Gilberto, Céu und eben dem Seu Jorge, der ihre Karriere schon früh förderte, indem er sie als Support mit auf Tour nahm. Demnächst wird sie die Hallen selbst füllen: mit ihrem Namen in Großbuchstaben.
©
Michael Frost, 24.07.2009