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Verzeihen Sie,
falls ich störe


Plattenfirmen und PR-Agenturen behaupten naturgemäß stets, das jeweils neue Album des Künstlers XY sei die bisher beste, ausgereifteste und überzeugendendste Veröffentlichung. Nur selten nehmen die Pressetexte dabei die wirklich passenden Attribute vorweg. Eine seltene Aufnahme bildet die Ankündigung des neuen Albums des französischen Klangkünstlers René Aubry. Er sei ein "diskreter Musiker", ist zu lesen, und tatsächlich ist "Memoires du Futures" vor allem dieses: diskret.

Diskret, fast entschuldigend präsentiert Aubry seine Musik: Verzeihen Sie, falls ich störe. Doch man mag sich gerne stören lassen: Die (fast ausnahmslos) instrumentalen Stücke dieser Memoires du Futur (Erinnerungen an die zukunft) verbreiten eine wohlige, ruhige, diskrete (sic!) Atmosphäre, in der es sich vortrefflich zurücklehnen und erholen lässt.

Man möge diese Stimmung jedoch nicht mit der künstlichen Ruhe der "Chill-Out"-Zonen vergleichen. Denn Aubry gibt dem Zuhörer Impulse, er regt die Gedanken an, anstatt sie abzuschalten, und alsbald verliert man sich in den eigenen Träumen, schöpft Ruhe und Kraft für Neues - abseits der Hektik des Alltags.

Bei fast allen Details seines Albums verlässt René Aubry sich vor allem auf eine Person: sich selbst. Er spielt sämtliche Saiteninstrumente, Klavier, Harmonika und Pianos, er singt selbst und nahm das Album praktisch im Alleingang auf. Nur Daniel Beaussier (Klarinette, Saxophon) und Sänger Piero Ciampi fanden Einlass in Aubrys magische Musikwelt, die mal an Philip Glass erinnern, mal an Andreas Vollenweider, oder die besseren Tage von Mike Oldfield.

Die inspirierende Wirkung dieser Musik ist längst kein Geheimnis mehr. Aubry schrieb bereits für die Tanztheater-Choreographin Pina Bausch, und er spielte mit Nusrat Fateh Ali Khan und David Byrne. Zwölf Alben sind seit 1983 erschienen, und es ist gut möglich, dass man seinen Sound als Untermalung bei Kunstausstellungen, Performances und Theateraufführungen hört, doch am besten wirkt seine filigrane Tonkunst als eigenständiges Element, denn - nochmal der Pressetext: "Dem diskreten Charme des Monsieur Aubry kann man sich auf keinen Fall entziehen."

© Michael Frost, 08.09.2006

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