Man ist schnell versucht, Musikern, die nicht aus Großbritannien oder den USA stammen, irgendein Lokalkolorit anzudichten, eine gewissermaßen durch Land und Leute geprägte Färbung, die ihre Herkunft verrate. Hätte Kristofer Åström nicht diesen betont nordischen Namen - kaum jemand widerlegt das Klischee so überzeugend wie er.
Denn Åström gibt sich inzwischen vor allem als genauer Kenner der amerikanischen Country-, Blues- und Bluegrass-Szene zu erkennen. Hört man sein aktuelles Album "Rainaway Town", man könnte ihn sich durchaus als Sänger mit Cowboyhut und Wildlederhemd vorstellen. Die Songs des Albums drängen vorwärts, oft in einem spielerischen Wettstreit zwischen akustischer und E-Gitarre.
Diese Aufgabenteilung verlief nicht immer so. Nach der Veröffentlichung seines Solodebüts "Loupita" tourte Åström sogar allein mit der Akustikgitarre. Der druckvollere Sound war dann, wie er selber zugibt, eine Reaktion auf diese eintönige Erfahrung, und inzwischen gefällt er sich in der Rolle des Folkrockers offenbar ganz gut und hat sie so stark antizipiert, dass man bisweilen den Einfluss von Genre-Größen wie Fleetwood Mac herauszuhören meint ("It's the way").
Dennoch: Kristofer Åström wäre nicht er selbst, wenn er nicht zwischendurch immer wieder zu den leisen, sehr introspektiven und zutiefst traurigen Balladen zurück finden würde; sie sind auch auf "Rainaway Town" enthalten und bilden immer wieder atmosphärische Höhepunkte, so beispielsweise "All in", ein Duett mit der Amerikanerin Maria Taylor.
Verbunden werden diese beiden Seiten des Albums durch Songs, die zunächst mit pop-orientierter Leichtigkeit daher kommen, dann aber durch ihren Inhalt an die Nieren gehen. "Heavy on the drinks" etwa erzählt von einem Mädchen, dessen an sich hoffnungsvolle Zukunft durch die brutale Macht des Alkohol zerstört wurde ("And she never thought it would come to this ...").
Und so spürt man den Unterschied dann vielleicht doch: Åströms Country ist alles andere als die kitischige Folklore, als die man dieses Genre gemeinhin zu kennen glaubt, sondern der stimmige Versuch, die Musik wieder zu dem zu machen, was sie einst war: ein Mittel um Geschichten aus dem eigenen Leben und der sozialen Verhältnisse zu erzählen. Dass er diese Rückkehr zu den Wurzeln mit hoch aktuellen Inhalten und auch Sounds verbindet, macht diese Renovierungsarbeiten nur noch spannender.
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Michael Frost, 30.03.2008
KRISTOFER ÅSTRÖM Tourdaten