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Die Kraft liegt
in der Musik
Gast-Beitrag von Stephan Stöckel


Als "The Verve" ihrem Ende zugingen, war Richard Ashcroft ein seelisches Wrack. Davon ist auf seinem neuen Album nichts mehr zu spüren: "Keys To The World" spiegelt einen ausgeglichenen, zufriedenen Richard Ashcroft wieder.
Rückblende: Wir schreiben das Jahr 1997. "The Verve" befinden sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Sieben Million Mal verkauft sich ihr Meisterwerk "Urban Hymns" und die "Bitter Sweet Symphony" wird von allen Radiostationen dieser Welt in die heimischen Stuben übertragen.

Der Erfolg hat auch seine Kehrseite: Ashcroft kommt mit dem plötzlichen Ruhm nicht zu recht. Nur mit einer Plastiktüte reist er von Konzert zu Konzert, zofft sich mit seinen Bandkollegen, dass es eine wahre Pracht ist.
Dann kratzt er die Kurve, zieht einen Schlussstrich unter das Kapitel "The Verve" und beginnt eine erfolgreiche Solokarriere. "Human Conditions" hieß sein letztes Album, auf dem sich ein warmer, von der harmonischen Stimme Ashcrofts geprägter Sound mit einer spirituellen Note paart.

Sogar Altmeister Brian Wilson ("Beach Boys") war entzückt und legte als Arrangeur Hand an das Meisterwerk: Der Hintergrundgesang auf der Ballade "Nature Is The Law" trägt unverkennbar seine Handschrift.
Nach solch höheren Weihen fragte man sich unwillkürlich: Was kommt als Nächstes? Eine Antwort auf diese Frage gibt das neue Album "Keys To The World", das uns einen Richard Ashcroft zwischen betörender Melancholie und gedämpfter Euphorie präsentiert.

Der Engländer aus Wigan gehört zu jenen Sangesbrüdern und - schwestern, die fest an die Kraft der Musik glauben, die meinen mit einem Song etwas bewirken zu können. "Music Is Power" hallt es voller Leidenschaft aus den Boxen und im Info zur neuen CD wird Ashcroft mit den Worten zitiert: "Du kannst wirklich das Leben mit einem Song radikal ändern. Ich glaube, dass die Menschen das gar nicht so richtig verstehen und auch nicht anerkennen, wie mächtig Musik eigentlich ist."

Es klingt vermessen, zu behaupten, Musik könne zu radikalen Umwälzungen führen - sei es im Wesen eines Menschen oder dem Klima innerhalb einer Gesellschaft. Ein Körnchen Wahrheit steckt dennoch in seinen Ausführungen. Ashcrofts Weisen gehen zu Herzen, auch wenn sie mitunter nahe am Kitsch angesiedelt sind. In seinen Texten, die von Depressionen, Glücksgefühlen, Religion und Tod handeln, kann man sein eigenes Ich entdecken.

Ashcroft unternimmt einen Streifzug durch die Gefilde der Pop- und Rockmusik, lässt sich bei straightem Rock ("Why Not Nothing") ebenso nieder wie bei souligem Liebesgeträller ("Words Just Get In The Way"). Wer meint ein Instrument des Barocks, wie das Cembalo, passe nicht zu moderner Popmusik, die auch die Radiosender spielen, muss sich von ihm eines besseren belehren lassen und sollte mal flugs in den Song "Break The Night With Colour" reinhören.

Der Streicher- und Keyboardschmelz früherer Tage ist nicht mehr so dominant, Ashcrofts Gesang klingt wie auch so manches Riff rauer als auf dem letzten Album, ohne bei der Melodiösität große Abstriche zu machen.
Sein leicht modifizierter Sound kommt beim Publikum gut an. Europaweit gibt's dafür Notierungen in den Hitparaden. Kein Wunder, dass sich Ashcroft derzeit pudelwohl fühlt und im Info seiner Plattenfirma mit schwarzem Humor frohlockt: "Sofern wir alle die Vogelgrippe überleben, verspricht 2006 doch ein ganz gutes Jahr zu werden."

Richard Ashcroft : "Keys to the world"
ist eine Gast-Kritik von Stephan Stöckel.
© Stephan Stöckel, Januar 2006


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