Ohne sie wäre alles nichts: Joan Armatrading zählt seit ihrem Debüt von vor bald dreißig Jahren zu den Pionierinnen der Songwriter-Zunft. Emanzipation, Gesellschaftskritik, aber auch sanfte Balladen prägen ihr Repertoire aus Blues, Soul, Pop, Rock, Folk und Gospel. Nur wenigen neben ihr gelang es, gleichermaßen glaubwürdig und kommerziell erfolgreich zu sein, und ist ihr bis heute nicht nur eine treue Fanschar erhalten geblieben, sondern auch ein unverrückbarer Platz in der Musikgeschichte sicher.
Nach ihrem 2007 erschienenen Blues-Album "Into the Blues" zieht Armatrading im Jahr ihres 60. Geburtstags überraschend an: "This charming life" ist erstaunlich druck- und kraftvoll, rock-orientiert, gitarren- und schlagzeuglastig. In einem Alter, in dem andere durchaus schon an den Vorruhestand oder wenigstens an Altersteilzeit denken, legt Joan Armatrading nochmals kräftig nach.
Doch warum sollte sie ans Aufhören denken? Wie allen ihren Arbeiten merkt man auch "This charming life" die Begeisterung an, mit der Joan Armatrading ihre Songs entwickelt - übrigens nahezu im Alleingang. Lediglich ein Schlagzeuger (Miles Boud) ließ sie an der Produktion teilhaben, sämtliche übrigen Instrumente spielte sie selbst ein. Besonders sympathisch auch: Im Gegensatz zu dem Trend, sich die eigene Arbeit von illustren "Produzenten" aus der Hand nehmen zu lassen, hat Joan Armatrading auch hier die Zügel nicht aus der Hand gegeben und selbst die Abmischung der Aufnahme selbst vorgenommen.
In "Heading back to New York City" lässt sie die Gitarren sogar richtig krachen, dass es eine wahre Wonne ist - und so manche jugendliche Nachwuchsband in den Schatten stellen dürfte. Den straighten Rocksong kontrastiert sie dann unmittelbar mit den vertrackten Gesangsharmonien von "Goddess of change" - auch für ihre Vielseitigkeit darf man sie zu Recht bewundern.
"Ich habe Songs geschrieben und gespielt seit ich 14 war", schreibt Joan Armatrading in den Linernotes des CD-Booklets, "das ist meine Leidenschaft. Ich kann mir nichts vorstellen, was ich lieber tun würde." So zieht es sie immer wieder zurück ins Aufnahmestudio und anschließend auf die Bühne. Kaum vorstellbar, dass sie sich in diesen Prozess jemals von irgendwem hineinreden ließe. Und so bleibt sie auch 2010 ein Vorbild, wenn auch ein seltener werdendes, für alle, die Musik selbst machen - und nicht nur "performen" - wollen, wie es auf Neudeutsch heißt.
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Michael Frost, 06.03.2010