Die Annäherung fällt schwer. Antony Hegarty ist einer der ungewöhnlichsten, schillerndsten Künstler der Gegenwart, einer, der sich allen gängigen Beschreibungen entzieht. Seit seinem letzten Album "I am a bird now" von 2004 ist sein Name mit einer Aura verbunden, wie sie andere Sänger auch nach einem ganzen Karriereleben nicht erreichen.
Der aus der New Yorker Subkultur erwachsene gebürtige Brite setzt mit seiner kristallklaren, hohen Gesangsstimme einen bewussten Kontrapunkt zum Gewohnten. Am liebsten arbeitet er mit 'klassischen' Instrumenten: Klavier, Streicher, Gitarre. Ein Schlagzeug findet auf "The crying light" kaum noch Verwendung. Manchmal erinnert Antonys Musik mehr an Schubert als an einen Popstar der Gegenwart, "The Johnsons" sind mehr Kammermusik-Ensemble als Begleitband.
Die Kollegen reißen sich um die Zusammenarbeit mit ihm. Lou Reed, Rufus Wainwright und Boy George gehören zu seinen frühen Förderern und Duettpartnern. Im vergangenen Jahr verschaffte Antony ausgerechnet dem Disco-Projekt "Hercules and Love Affair" einen Riesenerfolg. "Blind" war der Dancefloor-Knaller des Jahres. Mit Marianne Faithfull nahm er "O o baby" auf. Und auch der Deutsche Herbert Grönemeyer, in vielerlei Hinsicht (vor allem gesanglich) das absolute Gegenteil zu Antony, veredelte sein "Best-of"-Album ("Was muss, muss") soeben mit einem hoch emotionalen Duett mit "dem Wunder von New York" (Spex). Wo immer Antony auftaucht und seine sirenenhafte Stimme erhob, wurde sein Auftritt zum Höhepunkt der Alben seiner Partner.
"The crying light" nun bietet Antony nun endlich einmal wieder Raum, um auf Albumlänge seine unvergleichliche, berührende Aura auszubreiten. Seine metaphorische Lyrik verstärkt die berührende, tief unter die Haut gehende Atmosphäre. Antony verschmilzt darin mit der Natur, in der Angst um die Welt wird er eins mit ihr. Wie Björk, mit der er zwei Duette für ihr Album "Volta" aufgenommen hatte, hebt auch Antony den Gegensatz zwischen dem Mensch, seiner Kunst und der Natur, aus der beide entspringen, auf. Er besingt nicht die Natur - es ist die Natur selbst, die durch ihn singt.
Er ähnelt eher einem mythischen Wesen als einer realen und somit vergänglichen Gestalt aus Fleisch und Blut, die mit beschwörender Lied-Poesie um Gehör bittet - und vielleicht noch nicht einmal das, denn auf "The crying light" wirkt Antony so in sich gekehrt und selbstvergessen, als ob er sich seines Publikums überhaupt nicht bewusst wäre.
Mancher Song, etwa "Water and dust", verbreitet die sakrale Atmosphäre eines Gebets, "Daylight and the sun" beschwört die Geburt von Licht und Leben. Am Ende ("Everglade") kehrt Antony, das Wesen aus einer anderen Welt, heim:
"When I'm floating in the water
And Your eyes are lilies all around
When I'm lying sweetly in my bed
The sun plays crystal with my eyes
Then I stop ..."
Die Bildsprache erzählt frei von jeder Morbidität und Lebensmüdigkeit vom Tod als der Einswerdung von Mensch und Natur, von Antony and The Johnsons in zarten Frühlingsfarben hoffnungsvoll instrumentiert - der Tod bezeichnet hier nicht als Ende, sondern den Neubeginn. Eine berührende Erkenntnis, in berührend schönen Klängen erzählt, in denen die Gegensätze verschmelzen: zwischen Pop und Klassik, Stimme und Instrument, Mann und Frau, Mensch und Natur, Dies- und Jenseits. Ein Hochgenuss.