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Die Neugier treibt
uns vorwärts

 

Eigentlich ist Dominique Ané mit seinen einundvierzig Lebensjahren noch zu jung für Altersweisheiten. Und doch glaubt er, bereits alles versucht zu haben, geschrieben, geliebt, geglaubt zu haben, gereist zu sein. Allein, den Sinn habe er nicht gefunden: J'ai pas trouvé le sens.

Diese Erkenntnis, ohne spürbare Erregung, aber mit einiger Resignation in der Stimme vorgetragen, steht am Anfang des achten Albums von Dominique A., das er schlicht "La musique" betitelte.

Der Titel passt. Denn wer sich in seinen Inhalt derart auf das Wesentliche konzentriert, dem muss auch im Hinblick auf die Musik jeder künstliche Aufwand fremd sein. Dominique A. spielt folglich jedes einzelne Instrument selbst und verzichtet auf jede zusätzliche Orchestrierung.

So wird aus "La musique" ein gefühltes Schwarz-Weiß-Album, das auf Effekthascherei und besonders kapriziöse Stilblüten verzichtet: Die Lyrik dieses Albums gibt sich ebenso schnörkellos wie der betont monotone Gesang und die digital verzerrten Arrangements und schafft es doch, Essenzielles zu behandeln: Es geht um Unsterblichkeit, Verlorenheit, Entfremdung und schließlich um das Gefühl, den Zusammenbruch einer Welt zu erleben.

Solche Themen, ausgedrückt in flüchtigen Gedanken, Tagträumen und Poesie in dem Format Popmusik unterzubringen, ist seit jeher die besondere Stärke von Dominique A., die ihn zu einem der wichtigsten Erneuerer der französischsprachigen Musik der letzten Jahre machte. Er knüpft damit direkt an die große Tradition des existenzialistischen Chansons an - aber mit aktuellen Soundideen beziehungsweise solchen, die erst durch ihn aktuell wurden.

Bei ihm ist das Chanson keineswegs mehr das von Kollegen Benjamin Biolay abschätzig als "musique du papa" titulierte Genre, sondern eine hochaktuelle Möglichkeit, Zeitgenössisches, auch Zeitgeistiges, auf den Punkt zu bringen. Andererseits mag man ihn ebenso als Wegbereiter der Electronica in Frankreich verstehen, weil er sich der stets etwas plüschig anmutenden Musette-Atmosphäre widersetzt - auf "La musique" übrigens so konsequent wie nie zuvor.

Dass er, dessen Karriere nun schon fast zwanzig Jahre andauert, auch auf seinem achten Studiowerk noch zur Erneuerung und Erweiterung des eigenen Konzepts fähig ist, macht Dominique A. zu einer Ausnahmeerscheinung - andere Kollegen in ähnlicher Situation neigen häufig nur noch zur Selbstwiederholung, sprich: Stillstand.

Dominique A. wäre das zu wenig. Und als so resignativ, wie die Eingangszeilen der Albumeröffnung "Le sens" zunächst befürchten lassen, endet er nicht, denn die Neugier treibt ihn vorwärts: Es könne ja sein, so sinniert er am Ende des Lieds, dass es doch einen Sinn gebe, der nur darauf warte, von ihm entdeckt zu werden. Es ist die Idee, die uns alle antreibt, umso mehr, je unübersichtlich die Welt wird.

 

© Michael Frost, 06.02.2010


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