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Am Horizont wächst
die Selbsterkenntnis


"Nein", sagt Dominique A., "ein Stück wie 'L'horizon' wäre niemals in meiner Wohnung entstanden." Tatsächlich atmet der Opener und Titelsong seines Albums eine manchmal Atem beraubende Weite, wie man sie in der Natur nur unter günstigsten Bedingungen finden kann: klare, saubere Luft, ein ungetrübter Sonnenhimmel, kaum Luftfeuchtigkeit.

Dominique A. fand diese Bedingungen in Grönland. Die Gedanken an die Reise formulierten später die Noten für "L'horizon" und sein Gesang ist von einer Inbrunst, die bisweilen an Brel erinnert.

Aus dem Synthie-Pop/Chanson-Pionier, der seine Karriere Anfang der 90er Jahre mit minimalistischem Electro-Sound startete, ist längst ein etablierter Star der französischen Musikszene geworden. Er schrieb wunderbare Lieder, für seine ehemalige Lebenspartnerin Francoiz Breut als auch für eigene Veröffentlichtungen (zuletzt "Tout sera comme avant"), er sang mit Jane Birkin und er lieh den verspielten Etüden von Yann Tiersen seine Stimme.

Sein kreativer Output ist beeindruckend, und dennoch geht Dominique A. ("A" steht für "Ane") mit "L'horizon" noch einen Schritt weiter. Sein Album ist bis ins Detail großartig arrangiert, die Instrumentierungen - zum Teil mit Orchester - sind unvorhersehbar und voller überraschender Impressionen.

Mit unterschiedlichen Elementen aus Rock, Electronica, Chanson, Jazz und Klassik experimentiert er schon länger, und doch klang das Ergebnis nie so aus einem Guss wie auf "L'horizon", wobei der homogene Klang abwechslungsreiche Tempi und Rhythmen nicht ausschließt: wie im Zeitraffer erlebt man verschiedene Stimmungen und Emotionen, die auch Teil des eigenen Lebens sind, allesamt durch ein unsichtbares, aber hier sehr wohl hörbares Band untrennbar miteinander verbunden.

Nein, solche Einsichten entstehen niemals in der eigenen Wohnung. Manchmal schärft nur der Anblick des fernen Horizonts die Selbsterkenntnis.

© Michael Frost, 14.10.2006


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