Tori
Amos wäre nicht die, die sie ist, hätte sie sich
für ihr neues Album nicht etwas ganz Besonderes einfallen
lassen. Schon ihre umfassende Werkschau "A piano collection"
mit 86 Titeln, darunter B-Seiten, Demos und Remixe, veröffentlichte
sie in einer der Tastatur ihres Bösendorfer-Flügel
nachempfundenen Box.
Doch
"außerhalb einer Klaviertastatur bringt uns die
strikte Unterscheidung zwischen schwarz und weiß überhaupt
nicht weiter", sagt sie heute mit Blick auf "American
Doll Posse", ihre aktuelle Veröffentlichung. Das
Album mit seinen 23 Songs hätte manch anderem Künstler
für wenigstens zwei CDs gereicht.
Doch
Tori Amos wollte das Besondere. Der griechischen Mythologie
entlieh sie fünf Frauengestalten, in die sie für
ihre Songs schlüpfte. Fünf Frauen, die gemeinsam
nicht nur ihre eigene, nicht multiple, sehr wohl aber komplexe
Persönlichkeit widerspiegeln, sondern "das Weibliche"
insgesamt. Und das sei, so Tori Amos, eben nicht einfach
nur schwarz und weiß, so wie rechtskonservative Christen
es gern hätten, sondern vielschichtig, einig jedoch
in ihrer Ablehnung des Patriachats und der Beschränkungen,
die es Frauen auch heute immer noch auferlegt.
Die
Verkleidung, die tatsächlich jeweils nur verschiedene
Facetten derselben Person repräsentiert, hat bei Tori
Amos bereits Tradition. Schon einmal nämlich war sie
in verschiedene Frauenrollen geschlüpft, um die Songs
männlicher Kollegen aus weiblicher Sicht zu betrachten
("Strange little girls", 2001).
So
exzentrisch, kompliziert und sperrig das Albumkonzept auch
klingen mag, so direkt und geradeheraus ist überraschenderweise
die Musik. Tori Amos knüpft mit "American Doll
Posse" an ihre frühen Veröffentlichungen
an ("Cornflake girl"), Kompositionen und Arrangements
sind ebenso sinnlich wie kraftvoll, unverkrampft und selbstbewusst.
Nicht selten sogar wird der Flügel zur Seite geräumt,
um einer E-Gitarre Platz zu machen.
Auch
textlich nimmt Tori Amos kein Blatt vor den Mund. Der Opener
"Yo George" ist ein Einstieg nach Maß, und
ein direkter Angriff auf den US-Präsidenten: "Yo
George // is this just the madness of King George ..."
- aber auch ein Appell an die Amerikaner, ihren unwürdigen
Kriechgang vor dem Präsidenten zu beenden: "Yo
George // well you have the whole nation // on all fours".
"Normalerweise",
sagt Tori Amos über die Entstehung ihres Fünf-Frauen-Konzepts,
"wenn es soweit ist, dass die Stücke fließen,
höre ich sie als Ganzes. Sie passen zusammen, als ob
sie ein einheitlicher Rahmen umschließt. Diesmal fiel
mir auf, dass es plötzlich diese extremen Unterschiede
gab."
Doch
die Vielfalt der Songs, Sounds und Sichtweisen ist es gerade,
die "American Doll Posse" zu einem komplexen Werk
machen, überhaupt nicht eindimensional schwarz und
weiß, sondern mit vielen Zwischentönen, Mischfarben,
Exkursen und dennoch klarer Botschaft. Würde sie diese
Balance nicht halten und sich in der komplizierten Ausgangslage
verirren - Tori Amos wäre nicht die, die sie ist.