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Almonds persönliches
Songbook


Keine Frage: Marc Almond ist eine der letzten wirklichen Diven der Popmusik - und sowieso eine Ikone schwuler Musikkultur. Dem Synthiepop der 80er, den er selbst als Stimme des legendären Duos Soft Cell prägte ("Tainted love") ist er dabei längst entwachsen. Schon wenige Jahre nach seinen großen Hits von damals fand er den Weg zu seiner wahren Passion, widmete sich den Chansons von Jacques Brel, übersetzte sie (manchmal zu bemüht) ins Englische und kam seinem Idol dabei so nahe, dass er die CD vertraut "Jacques" nannte.

Noch heute findet Marc Almond, dass manche Dinge nur in der französischsprachigen Musik stattfinden, nur dort gesagt und gesungen werden. Deshalb ist er Brel & Co. treu geblieben, hat aber sein Repertoire deutlich erweitert, wie seine Sammlung "Sin songs - torch and romance" beweist. Knapp dreißig Titel stellte Marc Almond 2004 für eine Show zusammen, die schließlich im Londoner Almeida Theatre aufgeführt wurde.

Der Mitschnitt dieses Konzerts entführt die Zuschauer gleich zu Beginn nach Russland. Zur Videoeinspielung eines russischen Marinechors singt er alte Folklore in englischen Übersetzungen - ein stimmungsvoller Einstieg, der sich in den folgenden Programmteilen fortsetzt.

Vor sparsamer, meist intimer Instrumentierung (überwiegend Gitarre, Akkordeon, Geige) blättert Almond durch sein persönliches Songbook, und das besteht aus vielen Klassikern des letzten Jahrhunderts: Bert Kaempfert, Lou Reed, David Bowie, Charles Aznavour - und natürlich Brel, dessen "Amsterdam" er in einer ebenso Schweiß treibenden Fassung vorstellt wie das Original.

Doch die Interpretation zeigt gleichzeitig Almonds Grenzen auf. Seine Stimme ist markant und durchdringend, aber wenig wandlungsfähig. Vieles gerät ihm zur Pose, und nur selten gelingt es ihm, das Pathos seiner Stimme abzulegen und wirklich eins zu werden mit den Songs, die er vorträgt. Gerade in den leisen und sehr melancholischen Songs, etwa "I cover the waterfront" macht sich diese fehlende Sensibilität störend bemerkbar.

Und dennoch: Almond bleibt ein großer Entertainer, dem immer dann zu Höchstform aufläuft, wenn es lasziv und manchmal auch etwas schlüpfrig wird ("In the dark // there's just you and I // no one's sound, no one's eye //..."). In diesen Momenten, wie auch in seiner eigenen, morbide-witzigen Komposition "Suicide saloon" gelingt es ihm, Erotik mit augenzwinkernder Ironie zu brechen, was seiner Performance ungemein gut tut, weil darin der Mensch hinter der Bühnenfigur spürbar wird.

© Michael Frost, 21.04.2006

 


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