In
Italien gehörte Almamegretta Anfang der 90er Jahre zu den ersten
Bands überhaupt, die multikulturelle Großstadt-Sounds für
sich entdeckten und daraus neue Aspekte des Rock entwickelten. Neapel,
auch die Heimat von Almamegretta, spielt dabei eine herausragende Rolle.
Gennaro T. (Schlagzeug), Raiz (Gesang) und der inzwischen wieder ausgestiegene
Gianni (Gitarre) gründeten "Almamegretta" 1991, ein Jahr
später kamen Paolo (Tasten) und Tonino (Bass) dazu. Gemeinsam spielten
sie ihre erste Mini-CD ein, gefolgt von "Anima migrante",
ihrem eigentlichen Debüt-Album.
Es
sind die Triphop-Pioniere von Massive Attack, die auf "Anima
migrante" aufmerksam werden. Die internationale Kooperation beeinflusste
fortan auch den Sound von Almamegretta: Elektronik, Trance, Ambient
und Breakbeat treffen auf neapolitanischen Gesang, arabische Rhythmen
und italienische Pop-Sounds. In variierter Form hat sich diese Mischung
bis heute erhalten.
Insgesamt
veröffentlichten Almamegretta bislang fünf Studioalben,
zuletzt "Imaginaria", außerdem im Frühjahr 2002
"Venite ! Venite", das zum großen Teil aus Live-Aufnahmen
besteht, aber auch zwei neue Studioaufnahmen enthält, die simpel
"Uno" und "Due" betitelt wurden. Sie bilden den
Einstieg in eine atemlose Reise durch die Konzert-Geschichte von Almamegretta
und ihre hypnotisierende Mischung aus Reggae, Raï, Jungle, Techno,
Trance und Ska weitergeht:
"Venite
! Venite !" wurde nicht während einer einzigen Tour aufgenommen,
sondern aus verschiedenen Konzerten zwischen 1995 und 2001. Die Auswahl
der Titel konzentriert sich dabei vorwiegend auf ekstatische Trance-Rhythmen,
die das Album durchgängig tanzbar machen, zumal es zwischen den
einzelnen Songs - ungewöhnlich für ein Live-Album - kaum
Unterbrechungen gibt, selbst das Publikum ist nur selten zu hören.
Im
Vordergrund steht Lead-Sänger Ruiz, dessen charismatische Stimme
über eine seltsame, fremde Anziehungskraft verfügt, die
nur schwerlich in Worte zu fassen ist. Es ist die raue neapolitanische
Sprache, mit der er eine ambivalente Reibung erzeugt, dann das dunkle,
heisere Timbre, das im Zusammenspiel mit den gleichförmigen und
scheinbar endlosen Beats eine hypnotische Atmosphäre ergibt,
die sich durch das gesamte Album zieht.
Ohne
Zweifel gehören Almamegretta zu den innovativsten Bands Italiens,
was auch daran, liegt, dass sie in ihrer Entwicklung nie stehen geblieben
sind, sondern immer versucht haben, aktuelle Strömungen in ihren
Sound zu integrieren. Die Ergebnisse, die sie dabei erzeugen, klingen
oft fremdartig und bizarr, machen aber genau deshalb ihren besonderen
Reiz aus.
Michael
Frost, 11. Mai 2002