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Ohne Moll kein Dur


"Do you think you're happy, Nicolai?" - "I don't know the answer, Nina." Es ist ein kurzer Versuch über das Leben, den Nina Persson und Nicolai Dunger in ihrem Duett "Golden teeth and silver medals" anstellen. Philosophische Tiefe erreichen sie freilich nicht, aber sie dehnen die Grenze dessen, was innerhalb des Popsong-Formats möglich ist, doch ziemlich weit: "Life is like a melody, a pendulum that swings between the major and the minor." Die Modulation zwischen Dur und Moll beherrscht Nina Persson seit Jahren wie kaum eine zweite Sängerin: Mit den Cardigans bereicherte sie den Easy-Listening-Pop um Melancholie und Nachdenklichkeit.

Daneben fand sie immer wieder Zeit für andere Ideen: Schon 2001, in der Pause zwischen den beiden wohl besten Cardigans-Alben "Gran Turismo" und "Long gone before daylight", begründete Persson gemeinsam mit Nicolas Frisk und Nathan Larson ihr Seitenprojekt "A Camp" und veröffentlichte ein gleichnamiges Album.

"Colonia" ist nun, acht Jahre später, das zweite Album des Trios, bei dem - wie schon bei den Cardigans - der Einfluss der Männer nur schwerlich von außen eingeschätzt werden kann, weil Nina Perssons sinnliches Timbre sämtliche Details überstrahlt. Ihr Duett mit Nicolai Dunger ist dabei nur einer unter vielen besonderen Augenblicken des Albums.

Mit den Cardigans steht jedes Album unter enormen Erwartungsdruck, doch als "A Camp" wirkt Nina Persson vom Ballast befreit. Sie traut sich, ihren Sound um Bläser und Streicher anzureichern, schreckt vor breitwandigen Soundlandschaften nicht zurück, mit denen sie das nüchterne, ungekünstelte Timbre ihrer Stimme meisterhaft kontrastiert. "Colonia" funktioniert in dieser Hinsicht ähnlich wie "Leaving on a mayday" ihrer Kollegin Anna Ternheim (die auf "Colonia" übrigens als Background-Sängerin zum Einsatz kommt).

Persson und ihren Kollegen gelingt es darüber hinaus, Niveau, Atmosphäre und Spannung nahezu bruchlos auf das komplette Album auszudehnen, weshalb die dreizehn Stücke auf "Colonia" in sich kohärent, wie aus einem Guss wirken. Tempo- und Rhythmuswechsel, etwa zwischen dem druckvollen "Here are many wild animals" und dem bedächtigeren "Chinatown" werden mit großer Selbstverständlichkeit vollzogen und münden schließlich in den atmosphärisch stärksten Persson-Titel seit "03:45 No sleep", dem Schlusssong auf "Long gone before daylight": "The weed had gone there first".

Nina Persson zeigt hier, dass sie vor einer minimalistischen, intimen Soundkulisse am ausdrucksstärksten ist: "I had a garden on my mind, ivy was growing around my spine ..." Hier, im Duett mit einem elegischen Geigenlauf, entsteht die Gänsehaut, hier wird sie sichtbar, die Modulation zwischen Dur und Moll, und in diesem Moment versteht man, dass diese Musik, diese Stimme, nur eine Entsprechung unseres Daseins ist, und wir ahnen, dass die eingangs gestellte Frage nach dem Glück tatsächlich nicht mit ja oder nein zu beantworten ist:

Ohne Moll gäbe es kein Dur und umgekehrt, und ohne ihre hintergründige Sinnlichkeit wäre Nina Persson eine ganz normale, sympathische, aber wohl unscheinbare Sängerin. Doch so, mit dieser Tiefe und Sätzen wie "Love is stronger than Jesus", wird sie zur Ikone, der die Musikwelt völlig zu Recht zu Füßen liegt.

 Videolink: A Camp "Stronger than Jesus" / Quelle: youtube

© Michael Frost, 08.03.2009


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