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Eigene Klangsprache


"Aus einer der herausragenden Instrumentalisten auf dem Oud, der arabischen Laute, wie auch als Komponist hat er sich mit einer völlig eigenen Klangsprache profiliert."

Auch eine Jury, in diesem Fall die des Deutschen Schallplattenpreises, tastet sich gelegentlich erst einmal vorsichtig an ein Werk heran. Das ist angesichts der stilistischen Vielfalt dieser Musik, die sich jedem Versuch der Zuordnung kurzerhand entzieht, auch nötig. Zudem ist Rabih Abou-Khalil kein Komponist, dessen Musik sich bereits beim ersten Hören in ihrer ganzen Pracht entfaltet.

So erfordert auch "Morton's Foot", das jüngste Album des aus dem Libanon stammenden Abou-Khalil, die ganze Aufmerksamkeit des Zuhörers. "Morton's Foot" bezeichnet die ungewöhnliche Fußform, bei welcher der zweite Zeh länger ist als die anderen. Der Albumtitel lässt sich in seiner metaphorischen Bedeutung für die Besonderheit der Musik von Rabih Abou-Khalil durchaus auf sein Werk übertragen. Auch bei ihm wachsen einzelne Komponenten über den ihnen gewöhnlicherweise zugestandenen Rahmen hinaus und führen ein regelrechtes Eigenleben. Zu entdecken sind zarte Klarinetten-Improvisationen (hervorragend: Gabriele Mirabassi) im Zusammenwirken mit einem magischen Akkordeon (virtuos: Luciano Biondini), außerdem eine ungeahnt filigrane Tuba (beeindruckend: Michel Godard), die multikulturelle Rhythmik von Schlagzeug und Rahmentrommeln (großartig: Jarrod Cagwin) und natürlich das Oud-Spiel des Meisters selber (hypnotisierend: Rabih Abou-Khalil).

Den Höhepunkt bildet jedoch der sardische Tenor Gavino Murgia, dessen fremdartige Gesangstechnik, die auf Sardinien eine lange Tradition besitzt, die Grenzen zwischen Instumental- und Vokalmusik aufzuheben scheint - das hervorstechendste Beispiel für eine über sich selbst hinauswachsende Klangfarbe.

Der faszinierende Detailreichtum von "Morton's Foot" erschließt sich erwartungsgemäß erst nach mehrfachem Hören. Vollends verstehen wird man die Musik vielleicht trotzdem nie. Sie bewahrt sich ein phantastisches Geheimnis, eine Aura des Unergründlichen, die den Neugierigen dazu treibt, immer tiefer in sie einzutauchen.

Man neigt dazu, Musik nach Kategorien zu sortieren. Ist "Morton's Foot" nun Jazz mit arabischen Klangfarben oder moderne arabische Musik mit Jazz-Einfluss ? Oder beides zu gleichen Teilen und damit die versuchte Verschmelzung kultureller Traditionen zwischen Orient und Okzident ? Noch einmal die Jury des Deutschen Schallplattenpreises:

"Fernab eines modischen Folklorismus überzeugt Rabih Abou-Khalil mit einer Musik, die aus dem Verständnis unterschiedlicher Traditionen zu zeitgenössischen Ausdrucksformen findet."

© Michael Frost, 07. Oktober 2003

 


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