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Big in Japan

 

Es waren wohl denkwürdige zehn Tage, die Abba im November 1978 in Japan verbrachten. Die Band stand auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, hatte im Jahr zuvor mit "The Album" alle Erwartungen, die seit der vorigen LP "Arrival" auf den vier Schweden lasteten, nochmals übertroffen. Auf ihrer damals aktuellen Single "Summer Night City" experimentierten die Vier erstmals mit dem Discosound, der damals im Gefolge von John Travolta und den Bee Gees seinen Siegeszug angetreten hatte, und daheim im bandeigenen Polar-Studio in Stockholm war man schon in den Vorbereitungen für das kommende Album "Voulez-vous".

Spätestens seit "Mamma mia" waren die europäischen Charts fest in Abba-Hand - und sie sollten es noch bis zum Beginn der 80er Jahre bleiben. Auch Australien war der Abbamania verfallen. Während ihrer dortigen Tour war bereits Lasse Hallströms Film "Abba - The Movie" entstanden.

Nun also Japan, wo man bis dahin eher wenig von Schweden, noch weniger von Abba wusste. Das Land stand gerade am Beginn seines gewaltigen wirtschaftlichen Aufstiegs und öffnete sich in der Folge auch kulturell dem internationalen Markt. In dem TV-Special mühte sich das Quartett also redlich, dem asiatischen Publikum den europäischen Norden näher zu bringen: Songwriter und Gitarrist Björn Ulvaeus erläutert dem TV-Publikum, er sei Namensvetter des damals weltbesten Tennis-Stars Björn Borg, Benny Andersson erwähnt Strindberg, Ingmar Bergman, die Mittsommernacht und den Nobelpreis. So ändern sich die Zeiten: Heute, dreißig Jahre später, sind Abba populärer als alle Vorgenannten zusammen und müssen sich lediglich noch mit Ikea messen. Doch die Wette gilt: Es gibt wohl kaum ein Billy-Regal, in dem nicht wenigstens eine Abba-Platte, CD oder DVD Platz gefunden hätte.

Doch natürlich ließen Agnetha, Björn, Benny und Annifrid vor allem ihre Lieder für sich sprechen. "Abba in Japan" versammelt die verschiedenen TV-Auftritte vom November 1978 mit der Performance von 14 Songs aller bis dahin erschienenen Alben, schwerpunktmäßig jedoch "Arrival" und "The Album". Besonders interessant dürften für Fans die wenigen, erkennbar live gesungenen und begleiteten Versionen sein (allen voran die Orchesterfassung von "Thank you for the music" zum Abschluss) - in der Mehrzahl jedoch sind Playback-Aufnahmen zu sehen, identisch jeweils mit den Album-Versionen. So staunt man also vor allem über die skurrilen Einlagen des japanischen Fernsehballets, das zu einigen Songs (etwa "Tiger") durchaus gewagte Choreografien zum Besten gibt.

Zwei Jahre später war Japan das letzte Land, in dem Abba live zu sehen war. Zu diesem Zeitpunkt waren sie auch dort längst Superstars und füllten die größten Arenen. Nur in den USA wollte der endgültige Durchbruch nie richtig gelingen - bis zu diesem Jahr: Gemeinsam u.a. mit Genesis und den Red Hot Chili Peppers ist Abba für die Aufnahme in die "Rock'n'Roll Hall of Fame" in New York nominiert. Es wäre der endgültige Triumph einer unvergleichlichen Karriere, die von Björn und Benny und einigen geschickten Beratern bis heute selbst gesteuert wird.

Wohl dosiert fördern sie aus ihren reichhaltigen Archiven ständig neues Videomaterial zutage und sichern sich damit kontinuierliche Präsenz - ohne dafür jemals als Quartett wieder aktiv in Erscheinung getreten zu sein, wozu angesichts von so zeitlosen Klassikern wie "Take a chance on me" oder "Dancing queen" auch kein Anlass besteht. Im Gegenteil: Nach dem Erfolg der Verfilmung ihres Musicals "Mamma mia" mit Meryl Streep und Pierce Brosnan toppte die Abba-Best-of-Compilation "Gold" mehr als 15 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung zum wiederholten Male die weltweiten Charts - und liegt auch in Japan weit vorn.

© Michael Frost, 01.11.2009


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